Die Ardennen-Offensive 1944: Hitlers letzte Schlacht im Westen
Autor: Antony Beevor | Verlag: C. Bertelsmann Verlag |ISBN: 978-3-570-10220-6
Im August 1944 schien das Ende des Zweiten Weltkrieges nah. An Ost- und Westfront trieben die Alliierten die Wehrmacht vor sich her, das Attentat vom 20. Juli schien ein Signal nach innen zu sein. Doch Hitler und seine getreuen Generäle verweigerten sich dieser Realität, auch in den alliierten Führungsstäben zeigten sich Unstimmigkeiten. Zunächst jedoch wurde die Westfront in atemberaubendem Tempo nach Osten verschoben, Belgien wurde befreit; Schrecken erfüllte insbesondere die deutschsprachigen Ostkantone der Ardennen, Vergeltungsmaßnahmen von Fliehenden und Verfolgern waren an der Tagesordnung. Vor diesem Hintergrund schufen verzweifelte Entschlossenheit auf deutscher und euphorische Fehleinschätzungen auf alliierter Seite die Ausgangslage für die wohl brutalste Schlacht des Krieges, in den Ardennen im Winter 1944/1945. In nur sechs Wochen verloren allein 150 000 Soldaten ihr Leben; für die USA war es die blutigste Schlacht des gesamten Krieges.
Rezensionen (1)
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Patrick Schlenz
Verfasst am: 12.07.2017 |
Die Ardennen Offensive 1944
Autor Antony Beevor hat es im vorliegenden Werk "Die Ardennen Offensive 1944" wieder einmal geschafft, einen sehr komplexen geschichtlichen Vorgang verständlich von verschiedenen Seiten zu beleuchten.Die Ardennen Offensive, Hitlers letzter Versuch im Westen offensiv aktiv zu werden, um den Krieg noch positiv beeinflussen zu können, scheitert kläglich. Obwohl Hitler die Alliierten überraschen kann, hat er seinen Militärs unverrückbare Prämissen zur Durchführung der Offensive mit auf den Weg gegeben, die führenden deutschen Militärs bereits vor Beginn der Offensive ein Scheitern sicher erscheinen lassen. Da aber im Führerstaat ein allzu offensives Kritikverhalten gefährlich ist, wird die Offensive, wie von Hitler befohlen, durchgeführt.
Beevor schildert die Planungsphase mit all ihren Handicaps und beschreibt auch die Überraschung der überrumpelten alliierten Befehlshaber. Einen Schwerpunkt setzt der Autor in der Beschreibung der Animositäten und Intrigenspiele, die sich der englische Feldmarschall Montgomery mit den seinen amerikanischen "Kollegen" liefert. Darüber hinaus schildert er, was im alliierten Hauptquartier "SHAEF" während der Offensive vor sich geht. Dies blendet der Autor auf Deutscher Seite nicht aus, vernachlässigt aber aus meiner Sicht jedoch die Schilderung der Vorgänge im deutschen Hauptquartier.
Die einzelnen Phasen der Offensive mit den jeweiligen Gefechten und Augenzeugenberichten bestechen. Fast zu jedem Ort, jeder Straße und jeder Kreuzung gibt es einen genauen Bericht der jeweiligen Gefechte und Ereignisse.
Natürlich werden auch die Menschenrechtsverletzungen sowie die Verletzungen des Kriegsrechts, häufig durch SS-Verbände begangen, zu Recht beschrieben. Die "Gegengreuel", die die Alliierten im Gegenzug an den deutschen Soldaten begingen, werden zwar erwähnt aber aus meiner Sicht fast schon verharmlosend beiläufig dargestellt. Der Autor beschreibt dabei, dass diese "Gegenmaßnahmen" von den alliierten Befehlshabern nicht nur toleriert sondern auch begrüßt wurden mit einer Offenheit, die überrascht.
Der Autor schildert sehr eindringlich das Leiden der Soldaten auf beiden Seiten. Auch die unendlichen Qualen der Zivilisten, auf die im Zweifel weder die Deutschen noch die Alliierten Rücksicht nahmen, werden eindringlich dargestellt.
Die Beschreibung des Zusammenbruchs der Offensive an den einzelnen Abschnitten, die häufig auch der katastrophalen Versorgungslage der Angreifer geschuldet waren, zeigt auf, mit welcher materiellen Übermacht die Alliierten operieren konnten. Beevor arbeitet aber dabei auch heraus, wie schnell das "SHAEF" und seine Befehlshaber in der Lage waren, die richtigen Gegenmaßnahmen zu ergreifen und wie hartnäckig die Deutschen trotz materieller Unterlegenheit weiterkämpften.
Letztendlich nimmt die Ardennen Offensive dem untergehenden 3. Reich die Möglichkeit, sich der Offensive der Russen zu Beginn des Jahres 1945 stärker entgegenzusetzen. Dies ist auch letztendlich die Conclusio die Beevor zieht und die das Ende des Führerstaats beschleunigt, da die letzten Kräftereserven unnötig geopfert wurden.
Insgesamt ist das vorliegende Buch sehr lesenswert und gut. Wer sich für die detaillierte Geschichte des 2. Weltkriegs interessiert sollte das Werk in seiner Bibliothek haben. Wenn der Leser bei der ein oder anderen Passage eine gewisse Distanz einnimmt, die der Nähe des Autors zu den Alliierten geschuldet ist, dann ist das bei der Lektüre kein Nachteil.